Dass es an neuen Wohnungen fehlt ist keine Folge von Unfähigkeit. Sondern Strategie, wie ein alter Aufsatz der Bausenatorin zeigt.
Berliner Morgenpost vom 13.04.2019 - von Joachim Fahrun
Manche Menschen wundern sich ja über unsere Bausenatorin. Oder sollte man Katrin Lompscher nicht eher als „Nicht-Bausenatorin“ bezeichnen, wie das Vertreter der Opposition gerne tun? Auf jeden Fall bleibt Berlin unter ihrer Verantwortung deutlich hinter den selbst gesteckten Zielen für den Wohnungs-Neubau zurück.
Natürlich ist die Linken-Politikerin nicht allein verantwortlich dafür, wenn Neubauprojekte kleiner werden und später kommen als ursprünglich beabsichtigt. Wenn es konkret wird mit dem Bauen, steht gerne eine ganz breite Allianz aus fast allen Parteien bereit, um zu erklären, warum es hier nun gerade so nicht geht und warum man noch ein paar Jahre brauchen wird, um wie im Blankenburger Süden aufgebrachte Anwohner zu beruhigen.
Wohnungsangebot muss erweitert werden
Nicht umsonst hat der Regierende Bürgermeister Michael Müller jüngst ein „Wohnungsbau-Bündnis“ unter seinen Sozialdemokraten angeregt. Auch in der SPD müssen einige auf das von Müller ausgegebene Ziel eingeschworen werden, durch zügigen Neubau das Wohnungsangebot zu erweitern und damit Druck von den Mieten zu nehmen.
Dass Lompscher und ihre Linkspartei diesen Kampf ums Bauen nicht an vorderster Front führt, sollte jedoch niemanden überraschen. Seit dem Mauerfall und der Wandlung der früheren DDR-Staatspartei SED erst zur PDS und später zur Linken hat sich die Partei als Gegnerin von „Wachstumseuphorie“, „Verquickung von Politik und Bauwirtschaft“, „Größenwahn“ und „Metropolenprojekte“, „Bauland-Offerten für Investoren“ positioniert.
Diese Begriffe schrieb Lompscher 2011 in einen programmatisch-strategischen Aufsatz über „Linke Metropolenpolitik“. Darin vollzog die damalige Senatorin für Gesundheit und Umwelt in der rot-roten Koalition die Stadtentwicklungspolitik der Linken seit der Wiedervereinigung nach. Als wesentlich für den Aufstieg der Partei vom DDR-Schmuddelkind zur einflussreichen politischen Größe bezeichnete sie die enge Bindung der PDS an Gruppen, die gegen Mietsteigerungen, Verdrängung aus den inneren Bezirken und eine „Stadt für alle“ stark machten.
Linke lehnte alle großen Vorhaben ab
Für das Bauen oder gar für „Großprojekte“ hatte die Partei nie etwas übrig. Die Linke lehnte in den 90er Jahren alle großen Vorhaben der Stadtentwicklung ab. Veldodrom und Schmeling-Halle, Tiergartentunnel und Messeerweiterung, Flughafenplanung und geförderten Wohnungsneubau von Spandau bis Buchholz oder „Investorenprojekte“ am Alexanderplatz und Potsdamer Platz.
Statt einer „Metropolenpolitik“, die der Stadt „keinerlei wirtschaftliche Impulse gegeben“ habe, setzte die Linke auf Dialog mit Bewohnern und den Erhalt des Status Quo. Diese Politik war nach Lesart Lompscher erfolgreich. 2001 holte die PDS unter dem Spitzenkandidaten Gregor Gysi 22 Prozent und bildete dann mit der SPD eine Koalition. An der Regierung machte die Partei die Erfahrung, dass sie die Planungen nicht zurückdrehen konnte, zur Enttäuschung vieler Anhänger. Aktivisten kritisierten die „Doppelzüngigkeit“ der Partei.
Linke hat immer noch ein Trauma
Auch deswegen sackte die Linke ab und halbierte über zwei Legislaturperioden ihr Wahlergebnis auf nur noch 11 Prozent 2011. Dieses Trauma, als Regierungspartei abgestraft zu werden, nagt immer noch an den berliner Linken. Lompscher gab kurz vor diesem Tiefpunkt die Devise aus, in Regierungsverantwortung müsse die Linke etwa die Bebauungsdichten in beschlossenen Bebauungsplänen zu reduzieren und in „Investorenprojekten“ bezahlbare Wohnungen und Flächen für „soziale Zwecke“ durchzusetzen.
Vom entschlossenem Neubau auch durch private Investoren, um die Stadt weiter wachsen zu lassen, ist in dem Aufsatz jedenfalls keine Rede. Was Michael Müller jetzt erlebt, seit er die Stadtentwicklungsverwaltung den Linken überließ, hat nichts mit Unvermögen zu tun, sondern ist politische Strategie der Partei seit vielen Jahren.