Wenn künftig eine Tram über die Leipziger Straße in Berlin-Mitte fährt, könnte diese nur noch einspurig für Autos sein.
Berliner Morgenpost vom 25.02.2020 - von Christian Latz

Dicht an dicht drängen sich Autos, Lkw und Busse heute Tag für Tag durch die Leipziger Straße. In Zukunft könnten sie dafür deutlich weniger Platz zur Verfügung haben. Die Leipziger Straße, eine der wichtigsten Ost-West-Tangentialen Berlins, könnte künftig zum Nadelöhr für den Individualverkehr werden.
Denn die Straße könnte zwischen Spittelmarkt und Leipziger Platz nur noch einspurig verlaufen. Das sehen Planungsvarianten der Senatsverkehrsverwaltung für die neue Tramstrecke zwischen Alexanderplatz und Potsdamer Platz vor, die am Dienstagabend vorgestellt wurden.

Im Vordergrund standen die Pläne für den Abschnitt der Ost-West-Tangente zwischen Charlottenstraße und Spittelmarkt. Die Tram soll dort durchgehend einen eigenen Trassenkörper bekommen. Je nach Planungsvariante wird das umgesetzt als ebenerdiges Grüngleis, bepflanzt mit „bestäubungsfreundlichen Pflanzen“, wie es in der Präsentation der Verkehrsverwaltung heißt, oder gepflastert für Rettungsfahrzeuge. Am Fahrbahnrand soll zudem in beide Richtungen ein breiter Fahrradweg verlaufen. Daneben sehen die Pläne einen Multifunktionsstreifen vor, der für den Lieferverkehr und Radabstellanlagen genutzt werden könnte.

Leipziger Straße in Berlin-Mitte: Offen ist, wie viel Platz für Autofahrer bleibt
Offen ist noch, wie viel Platz dem Kfz-Verkehr künftig bleiben soll. Zur Diskussion stehen zwei Varianten. Eine ist am aktuellen Zuschnitt der Straße orientiert. Dabei würden Autos auch in Zukunft über zwei Spuren je Richtung unterwegs sein können zuzüglich jeweiliger Links- und Rechtsabbiegespuren. Davon hebt sich die „gestaltungsorientierte Variante“ ab. Sie ließe zwischen Spittelmarkt und Charlottenstraße für den Autoverkehr nur eine Spur je Richtung. Dafür könnten die Radwege sogar drei Meter breit werden.

"Da kommen sich schnelle und langsamere Radfahrer nicht ins Gehege“, sagte Holger Kölling-Orb, bei der Verkehrsverwaltung für den Straßenbahnbau zuständig. Deutlich mehr Platz als heute bekämen dadurch auch Fußgänger. Durch den schmaleren Querschnitt der Fahrbahn würde es für alle Zufußgehenden bequemer, die Leipziger Straße zu passieren. Dabei sollen auch drei zusätzliche Überquerungshilfen rund um die Kreuzung zur Jerusalemer Straße helfen. Sie sollen den Fußgängertunnel ersetzen, der an dieser Stelle unter der Fahrbahn durchführt.

Schon im Juni 2019 hatte die Verkehrsverwaltung bei einer Informationsveranstaltung die Pläne für den schmalen Abschnitt der Leipziger Straße zwischen Charlottenstraße und Leipziger Platz vorgestellt. Bereits damals war abzusehen, dass der Bau der Tramtrasse sowie die zwei Meter breiten Radwege in beiden Richtungen den Raum für Pkw stark beschränken würden, je nach Bauvariante in unterschiedlichem Maß. Eine Variante sieht auch künftig je Richtung zwei Fahrspuren für Autos vor zulasten der Linksabbiegerspuren. Die „gestaltungsorientierte Variante sieht hingegen auch hier für den Pkw-Verkehr nur noch eine Spur je Richtung vor.
Für diese Variante hat das Haus von Verkehrssenatorin Regine Günther (Grüne) nun die Pläne überarbeitet, was dem Individualverkehr noch mehr Platz nimmt. „Es ging insbesondere darum, die Straßenbahn möglichst unabhängig vom Autoverkehr zu führen“, sagte Kölling-Orb. Um seltener im Stau stecken zu bleiben, soll die Straßenbahn auch in Teilen der engen Häuserschlucht auf einem eigenständig geführten Gleis fahren.
Dafür werden die Linksabbiegespuren am Knoten Friedrichstraße sowie in östlicher Fahrtrichtung auch an der Kreuzung zur Charlottenstraße entfernt.Der schmale Straßenquerschnitt lässt eigene Tramspuren jedoch nicht in beide Richtungen gleichzeitig zu. Um von Rechtsabbiegern in die Friedrichstraße getrennt zu werden, wird die Straßenbahn jeweils vor dieser Kreuzung separat geführt. Auf dem restlichen Stück teilen sich Tram und Pkw eine Spur.

70.000 Fahrzeuge fahren über die Leipziger Straße
Wann die ersten Trams über die Leipziger Straße rollen, ist noch offen. Geplant ist der Betriebsstart 2027. Doch zuvor muss unter anderem noch die Mühlendammbrücke abgerissen und neugebaut werden. „Das sind Planungen, die sich immer auswirken auf, das was in der Leipziger Straße passiert“, sagte Hartmut Reupke, Leiter der Abteilung Verkehr in der Senatsverwaltung.
Klar ist: Ein Verkehrsaufkommen von bis zu 70.000 Kraftfahrzeugen, die heute täglich über die Leipziger Straße fahren, wird die Strecke mit nur einer Spur je Richtung nicht bewältigen können. Die Zahl der Pkw ließe sich um 50 Prozent verringern, wenn auf der gesamten Strecke nur noch eine Spur verliefe, erwartet die Verkehrsverwaltung. Auch der damit verbundene Lärm würde um die Hälfte gemindert.
Alles Szenarien, die den grundsätzlichen Zielen von Verkehrssenatorin Günther entsprechen. Bewältigt werden soll der Verkehr dann über die Straßenbahn. Eine Entscheidung für eine der Varianten ist jedoch noch nicht gefallen. „Wir werden alleine aus planrechtlichen Gründen zu dieser Phase noch mit mehreren Varianten arbeiten“, sagte Reupke.

Alternative Pläne bringt die Verkehrsinitiative Changing Cities ins Spiel. Danach würde bei einspurigem Ausbau die Mittelinsel sowie die Multifunktionsflächen verschwinden. 13,5 Meter würden so gewonnen, hat die Initiative errechnet. Dadurch könnte auf der nördlichen Seite ein größerer Grünzug entstehen, so Stefan Lehmkühler von Changing Cities: „Es ist eine effizientere Nutzung des Raums, der auch gleichzeitig Versickerungsfläche sein könnte.“

Neue Straßenbahn soll ums Rote Rathaus fahren
Schon im vergangenen September stellte die Verkehrsverwaltung die konkretisierten Pläne für den Abschnitt zwischen Alexanderplatz und Molkenmarkt vor. Von der Mühlendammbrücke kommend soll die Trasse am Molkenmarkt nach links abbiegen und sich am Roten Rathaus teilen. Die reguläre Strecke führt dann über die Rathausstraße zum Bahnhof Alexanderplatz.
Zudem ist eine Ausweichroute geplant. Sie verläuft über die Spandauer Straße in nördlicher Richtung zur Karl-Liebknecht-Straße und dort an die bereits bestehende Tramtrasse zum Alexanderplatz anschließen. Die Alternative diene dazu, die Betriebsstabilität zu erhöhen. „Wir wollen diese Verbindung schaffen, damit die Straßenbahn das Rote Rathaus sowohl bei Protokollereignissen, als auch bei Störungen umfahren kann“, erklärte Hartmut Reupke, Leiter der Abteilung Verkehr in der Senatsverkehrsverwaltung damals. Fertig gestellt wird die Tramverbindung laut Senat frühestens 2027.

Die Berliner Morgenpost im Internet: www.morgenpost.de