Berliner Zeitung vom 02.03.2021 - von Peter Neumann

Die Stadt – ein Idyll! Handwerker sind nicht mit rußenden Transportern unterwegs, sondern mit Lastenrädern. Managerinnen fahren Regionalbahn statt Dienstwagen. Die Aggression auf den Straßen ist einer „Mobilitätskultur des Miteinanders“ gewichen. Die Vision, die der Senat im Stadtentwicklungsplan Mobilität und Verkehr 2030 skizziert, lässt einen die Augen reiben. Ist das noch das Berlin , das wir kennen?

Es ist eine tragische Utopie, die hier als Basis für die künftige Verkehrspolitik entworfen wird. Tragisch deshalb, weil sie zum Teil durchaus wünschenswert ist, angesichts bisheriger Erfahrungen jedoch Zweifel aufkommen, ob sie je verwirklicht wird. Sicher ist das Ziel, Benziner und Diesel zu verbannen, im internationalen Vergleich nicht neu. Und zweifellos fordern viele Menschen in Berlin mehr Platz für Radfahrer und Fußgänger. Doch ein bisschen mehr Realitätssinn hätte gutgetan.

Dass der „größte Teil der Berliner Bevölkerung kein eigenes Auto mehr besitzen möchte“, wie im Planwerk steht, lässt sich angesichts von 1,2 Millionen in Berlin zugelassenen Pkw schwer vorstellen. Für vieles von dem, was als Vision skizziert wird, müssten demokratische und rechtsstaatliche Grundsätze verletzt werden.

Nicht zu Unrecht gestehen die Autoren ein, dass bereits frühere Planwerke nur ansatzweise realisiert wurden. Vieles blieb liegen, weil Geld fehlte und die Verwaltung nicht hinterherkam – weshalb der neue Plan viele ältere Forderungen wiederholt. Auch die grundsätzlichen verkehrspolitischen Ziele haben sich über die Jahre kaum verändert, ebenso wenig wie die hemmenden Strukturen.

Und so lässt sich auch der neue Plan in die Reihe von Ankündigungssammlungen einsortieren, die der Grünen-Basis Freude bereiten, sonst aber größtenteils Papier bleiben.
Schade eigentlich.

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