Guido Spars wird Gründungsdirektor der Berliner Bauakademie .Aber statt noch einer Stiftung brauchen wir eher eine bessere Baupolitik
Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 15.03.2021

Die Stellenbeschreibung von Horst Seehofer im Kabinett Merkel ist relativ eindeutig: Er ist "Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat". Wie wichtig das Thema Bauen gerade jetzt ist, hat die Pandemie gezeigt: Wer mit Garten, Terrasse oder grünem Hof wohnt, kann dem Lockdown fast etwas Urlaubshaftes abgewinnen; wer im Plattenbau oder weit von der Arbeit und Freunden und Verwandten entfernt lebt, die bei der Kinderbetreuung helfen können, für den wird die Pandemie zur existentiellen Krise. Gleichzeitig verschärft sich die Wohnungsnot, Enteignungsbefürworter und Immobilienwirtschaft stehen sich wie feindliche Armeen gegenüber. Ist eine produktive Lösung in Sicht? Haben wir einen Bauminister, der vor seine geplagten Bürger tritt und sagt, was er für ihr Recht auf ein angstfreies Leben in würdevollen Wohnungen zu tun gedenkt - und welchen Plan man für Städte und Dörfer, für sterbende Einkaufsstraßen, sich leerende Bürotürme und überteuerte Wohnviertel hat?

Da herrscht Stille. Es werden Wohnungen gebaut, ja; ästhetisch und ökologisch oft fragwürdige, antiurbane Unterbringungsregale allerdings, deren einziger Zweck zu sein scheint, am Ende sagen zu können, wir haben Euch soundsovieltausend Wohneinheiten hingemetert, jetzt gebt endlich Ruhe. Hier müsste dringend über " Baukultur " geredet werden. Aber aus den Gewinden der höchsten Baubürokratie des Landes ist derweil nur ein dumpfes Rumpeln zu vernehmen, das Echo eines schildbürgerhaften Unternehmens, das vielsagend für den Zustand der vielbesungenen " Baukultur " ist. Es geht um den Wiederaufbau von Schinkels berühmter Berliner Bauakademie . Sie war ein harmonisches Haus, das formal strengen Regeln gehorchte. Über den Prozess ihres Wiederaufbaus kann man das nicht sagen. Einen ersten Skandal gab es, als 2019 eine ausschließlich mit Politikern und Bürokraten besetzte Findungskommission einen Berufspolitiker, Florian Pronold, zum Gründungsdirektor kürte. Hunderte von Architekten und Fachleuten protestierten in einem offenen Brief gegen die Berufung und das Verfahren, die Stelle wurde neu ausgeschrieben; Pronold, der sich ungerecht behandelt fühlte, verklagte derweil unter allen Journalisten, die sich der Ansicht, er weise "keine einzige der geforderten Kompetenzen auf", angeschlossen hatten, ausgerechnet die ungeschütztesten, die Autoren des Internetportals frei04. So hatte es die Berliner Politik geschafft, aus dem Projekt einen Trümmerhaufen zu machen, noch bevor der erste Stein gesetzt war. Nun kommt der zweite Anlauf.

Frauen kamen nicht in die Endrunde
Das Innenministerium teilt in einer Pressemitteilung mit, der Stiftungsrat habe nun Guido Spars, Professor in Wuppertal, zum Gründungsdirektor ernannt. Wer Spars ist, sein Lebenslauf, seine Qualifikationen waren aus der immerhin zwei Seiten langen Mitteilung nicht zu entnehmen, ebenso wenig eine Stellungnahme des neuen Direktors. Man habe mit Spars einen "kompetenten und engagierten", ingenieurwissenschaftlich promovierten und habilitierten Diplomvolkswirt gefunden, jubelt der Rat. Die Ausschreibung, ist zu lesen, wurde "von einem Personalberatungsunternehmen unterstützt", als erhebe einen dieser Weg der Kandidatenfindung über alle Zweifel. Vielleicht liegt aber hier schon ein Problem. Nun gilt Spars auf seinem Gebiet nach allem, was man über ihn recherchieren kann, als hoch kompetent, und es ist dumm, ihn als Apparatschik zu schmähen, wie es auf der Website einer Bauzeitschrift geschah. Trotzdem ist es vielsagend, dass die neue Findungskommission, in der unter anderem Vertreter vom Zentralverband des Deutschen Baugewerbes und der Akademie für Städtebau saßen, sämtliche international bekannten Bewerber aus dem engeren Bereich der Architektur systematisch aussiebte, die für einen wirklichen Aufbruch gestanden hätten. Zwei Frauen, die beim ersten Mal als Favoriten galten, kamen erst gar nicht in die Endrunde, darunter eine für ihren Biennale-Beitrag weithin bekannte, gefeierte Kuratorin.

Spars verkörpere, so das Ministerium , "die breitgefächerte Programmatik der Bundesstiftung im Baubereich , verbunden mit einer konstruktiven und auf Kooperation ausgerichteten Moderation des breiten Spektrums der Interessengruppen aus Bauwirtschaft , Wissenschaft, Politik und Zivilgesellschaft". Schon dieses nichtssagende Ungeheuer von einem Bürokratensatz zeigt ziemlich genau, wo das Problem der geplanten Bauakademie liegen könnte. Wieder werden wichtige Fragen nicht geklärt - etwa die, was eine Bundesstiftung Bauakademie eigentlich inhaltlich leisten soll, etwa im Unterschied zur Bundesstiftung Baukultur . Warum legt man nicht beide zusammen? Wenn man in pandemiebedingt finanzklammen Zeiten eine mindestens 62 Millionen Euro teure Bauakademie errichten will, sollte man schon jetzt sagen können, wozu sie gebraucht wird. Was soll hier "diskutiert" und "moderiert" werden und mit wem? Deutschland hat renommierte Institutionen für " Baukultur " - das Architekturmuseum in Frankfurt, das Deutsche Architektur Zentrum in Berlin und viele andere. Alle können sich darauf einigen, dass die Städte umweltfreundlicher und sozialer werden sollen, dass wegen des Klimawandels nachhaltiger und eher wenig gebaut werden muss. Zahllose Kolloquien und Stiftungen betonen all das immer wieder, mit sinkendem Erkenntnisgewinn. Man ist sich ja im Kern einig. Wichtig wäre, dass das zuständige Ministerium , das sich gerade mit Stiftungen umgibt wie der Sonnenkönig mit Höflingen, statt Symbolpolitik zu betreiben, endlich Entscheidungen trifft, die tatsächlich zur Entbürokratisierung und Neubelebung des Bauens führen: dazu, dass mit anderen Materialien gebaut werden darf. Dass - wie in Frankreich heute schon - Wintergärten als Dämmung gelten können. Dass absurde Komfort- und Lärmschutzregeln für urbane Gebiete noch energischer abgeschafft werden. Dass Regeln einführt werden, die eine auf schnelle Verkaufbarkeit hin errichtete Investorenarchitektur eindämmen, die nach zehn Jahren zerbröselt und sich als hausähnliches, meist eh unbewohntes "Asset" auch nicht weiter für die Stadt in seinem Umfeld interessiert.

Ein Tempel der Klüngelwirtschaft
Dafür braucht man keine Stiftung, die mit anderen Stiftungen in Dialoge über mögliche Dialoge eintritt, sondern einen Bauminister , der sich für sein Ressort interessiert; der Experten - und nicht nur Lobbyisten - in seinem Ministerium versammelt und Entscheidungen trifft und wirkliche Rahmenbedingungen für ein neues Bauen schafft. Deutschland hat großartige Ingenieure und Bauforscher an den Universitäten, zahllose erfindungsreiche, experimentierfreudige Architekten. Man könnte also loslegen - zum Beispiel mit einer großen, internationalen Bauausstellung , bei der Laien und Politiker sehen können, wie man billiger, besser, ökologischer, aufregender, sozial fairer, inklusiver baut - und umbaut. Wenn der Schinkelbau die Schaltzentrale einer wirklichen Wende in der Baupolitik werden soll, sollte das mit der nötigen Verve kommuniziert werden. Bisher ist die Bauakademie vor allem ein Tempel bürokratischer Klüngelwirtschaft.

Dass der inzwischen ausgeschiedene SPD-Politiker Johannes Kahrs in der ersten Sitzung des Stiftungsrats im Mai 2019 dafür sorgte, dass die TU Berlin nicht wie besprochen in den Rat aufgenommen wurde, legt den Verdacht nahe, dass man auf Fachkompetenz gern verzichtete, um ungestört Hinterzimmerpolitik zu machen. Unwürdig war die Trickserei, mit dem die Stiftung danach versuchte, Transparenzforderungen zu umgehen: Im Verfahren gegen Pronolds Berufung hatte das Landesarbeitsgericht Berlin entschieden, dass die Stellenbesetzung nicht den Regeln entsprach, die anzuwenden sind. Die Stiftung hatte dagegen argumentiert, sie sei als "Stiftung des bürgerlichen Rechts" nicht an die Regeln zur staatlichen Bestenauswahl" gebunden. Dazu weigert sich das Innenministerium hartnäckig, das Gutachten zur Gründungsgeschichte der Akademie herauszugeben, obwohl das mit Blick auf das Informationsfreiheitsgesetz zweifelhaft ist; sollten Juristen hier einen wesentlichen Verstoß erkennen, ist es nicht undenkbar, dass auch Spars' Ernennung bald die Gerichte beschäftigen wird. Wo war, wo ist das erlösende Wort des " Ministers für Bau ", Horst Seehofer?

Man kann relativ schnell sagen, woran " Baukultur " aktuell scheitert. Man könnte neue politische Bedingungen für sie schaffen. Man braucht aber nicht noch mehr Stiftungen und hochdotierte Gremien, die endlos "moderieren", was einfach getan werden könnte. Vielleicht ist, wie in der Monarchie der Endzeit, nicht die Vergrößerung des Hofstaats die Lösung der Probleme. Und vielleicht ist auch hier nicht das Volk das Problem, sondern der König.

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