Zwei Originale von Christian Daniel Rauch kommen auf die Zitadelle Spandau
Berliner Morgenpost vom 11.06.2021 von Dennis Meischen

Ein Politikum sind sie schon lange. Als die Marmorstandbilder der preußischen Militärs Friedrich Wilhelm Bülow von Dennewitz (1755-1816) und Gerhard David von Scharnhorst (1755-1813) im Zuge der Wiedervereinigung an ihren ursprünglichen Standort neben der Neuen Wache Unter den Linden zurückkehren sollten, intervenierten die Erben der Künstlerin Käthe Kollwitz. Seit 2002 stehen die Generäle der Befreiungskriege gegen Napoleon daher – von Denkmalschützern und Historikern durchaus kritisiert – gegenüber des historischen Schinkel- Bauwerks, in dem mit Kollwitz’ „Mutter mit totem Sohn“ der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft gedacht wird.

Jetzt sollen die Statuen, immerhin Originale des Berliner Bildhauermeisters Christian David Rauch, wohl ganz aus Mitte verschwinden. „Im Juli werden die kulturhistorisch äußerst bedeutenden Standbilder abgebaut und kommen dann in unsere Dauerausstellung, Enthüllt’ auf die Zitadelle Spandau“, sagt Urte Evert, Leiterin des Zitadellen-Museums.
Aus Denkmalschutzgründen, wie ihr das Landesdenkmalamt Berlin mitgeteilt hat. So bräuchten die Statuen bei den vorherrschenden Witterungsbedingungen mittlerweile eine ganzjährige Einhausung, um sie im Originalzustand erhalten zu können. Das trägt nicht gerade zur Attraktivität des Boulevards Unter den Linden bei.

Dennoch ist Evert auch verwundert. „Natürlich freue ich mich, dass wir diese neuen Highlights nun unseren Gästen auf der Zitadelle präsentieren können und so auch verhindern, dass die Kunstwerke weiter zerfallen“, sagt sie, „aber es ist doch erstaunlich, dass aufgrund der Bedeutung Rauchs für Berlin kein Museum in Mitte Interesse an den Statuen angemeldet hat.“
Der Abbau fällt dabei in eine Zeit, in der teils heftig über die Entmilitarisierung Berliner Straßen- und Quartiersnamen diskutiert wird. Prominentestes Beispiel ist wohl der Generalszug durch Charlottenburg, Schöneberg und Kreuzberg, dessen Namen sich von Wittenbergplatz bis Gneisenaustraße ebenfalls allesamt auf die preußischen Befreiungskriege beziehen. Eine politische Dimension der Entscheidung ist daher nicht ganz auszuschließen.

„Auch das würde zu unserer Ausstellung ,Enthüllt’ passen“, sagt Museums-Leiterin Urte Evert, „immerhin geht es in ihr darum, was in Umbruchzeiten mit Denkmälern des öffentlichen Raumes passiert.“ Die Ausstellung zeigt unter anderem Standbilder der ehemaligen Siegesallee, die Kaiser Wilhelm II. in den Jahren zwischen 1895 und 1901 im Tiergarten anlegen ließ, sowie den Kopf des Lenin-Denkmals, das einst auf dem heutigen Platz der Vereinten Nationen in Friedrichshain stand.

Standbilder könnten durch Repliken ersetzt werden
Aufgrund der historischen Bedeutung des Bildhauer-Ensembles ist von Seiten des Landesdenkmalamts derweil zumindest angedacht, die Standbilder in Mitte durch Repliken zu ersetzen. Aus welchem Material diese Kopien sein könnten, wann und ob ein solches Projekt finanziell überhaupt möglich ist, steht laut Evert allerdings noch in den Sternen.
Ebenso unklar ist, was mit den weiteren Generalsstandbildern Unter den Linden geschieht. Denn nur wenige Meter hinter Bülow von Dennewitz und Scharnhorst stehen noch immer – halb verborgen von Bäumen – Rauchs Statuen der Generäle Yorck, Blücher und Gneisenau.

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