Das Humboldt Forum hat am Dienstag seine Pforten für alle Besucher geöffnet. Am Rande demonstrierten Gegner des Projekts. Tickets für Zeitfenster sind bis auf Weiteres ausgebucht
Berliner Morgenpost vom 21.07.2021 von Julian Würzer

Nach siebenjähriger Bauzeit und mehrfachen Verzögerungen haben die Türen des Humboldt Forums am Dienstag erstmals für Besucherinnen und Besucher geöffnet. Nun füllt sich das 682 Millionen Euro teure Zentrum für Kultur, Kunst und Wissenschaft hinter der umstrittenen rekonstruierten Schlossfassade mit Leben. Bei der Eröffnungsfeier sprach Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) von einer „Arena der demokratischen Streitkultur“, in der „die Aufarbeitung der deutschen Kolonialgeschichte bald eine zentrale Rolle spielen“ werde.

Das Humboldt Forum verspricht Einblicke in die mehr als 800 Jahre alte Geschichte des Ortes auf der Museumsinsel, in das Leben der Humboldt-Brüder Wilhelm und Alexander sowie der Stadt Berlin . Der Eintritt für die ersten 100 Tage ist sogar frei. Dementsprechend groß war der Andrang vor dem Gebäude, die Zeitfenster-Tickets für die Ausstellungen sind bis auf Weiteres ausgebucht. Gegen 16.30 Uhr sind die ersten Besucherinnen und Besucher in das Gebäude geströmt. Sollte es die Corona-Situation zulassen, können täglich rund 10.000 Besucherinnen und Besucher statt aktuell etwa 2500 ins Humboldt Forum geschleust werden. Die dafür notwendige Infrastruktur mit großen Eingängen, weiten Räumen, breiten Gängen und, ja, Rolltreppen hat schon häufig die Assoziation einer Shoppingmall hervorgerufen.

Generalintendant Hartmut Dorgerloh will einen „Austragungsort gesellschaftlicher Debatten und Konflikte“, an dem Menschen Dinge in Bewegung setzen und grundlegende Verständigungsprozesse anstoßen. „Wir wollen ein offenes Haus, ein Forum des Austauschs, der Vielfalt und der Vielstimmigkeit sein, und dabei wird es bunt und lebendig zugehen“, sagte er. Die Bewohnerinnen und Bewohner dieser Stadt forderte er auf, aktiv dieses „Zentrum für Kulturen und Wissenschaften“ in Berlins historischer Mitte mitzugestalten. Denn nur gemeinsam werde man ein Forum der Vielstimmigkeit, der Vielfalt und des Dialogs, so Dorgerloh.
Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) sagte, das Gebäude präge das Stadtbild Berlins nun maßgeblich mit. Es verbinde Vergangenes mit Neuem und spiegele die reflektierte Auseinandersetzung mit der Geschichte dieses Ortes. Das Innere und Äußere seien seit Jahren Fixpunkte leidenschaftlicher Debatten, etwa über Architektur oder die historische Mitte und den Umgang mit der Geschichte. „Das wird mit der Eröffnung des Hauses nicht beendet sein.“ Diese wichtigen Debatten würden nun in die Mitte der Stadtgesellschaft rücken. „Es ist unsere Aufgabe, mit den Nachkommen der Opfer von Kolonialverbrechen in respektvollen Dialog zu treten.“ Genau dafür sei das Humboldt Forum da.

Tatsächlich wurde mit dem Tag der Eröffnung das Humboldt Forum bereits ein Austragungsort gesellschaftlicher Debatten und Konflikte. Am Rande der Eröffnung gab es Proteste gegen das neue Zentrum. Der Verein Decolonize Berlin demonstrierte unter dem Motto „Defund the Humboldt Forum“ mit rund 100 Menschen gegen die Zurschaustellung von Raubkunst. Am Morgen vor der Eröffnung sorgte zudem der Förderverein Palast der Republik für Aufsehen. Man wolle Spenden für den Abriss sammeln und den Wiederaufbau des alten DDR-Gebäudes fördern.

Die Menschen davon abgehalten, das Humboldt Forum zu besuchen, hat das aber nicht. Zunächst warten im historischen Keller, im Erdgeschoss und in der ersten von drei Etagen sechs Ausstellungen auf Besucherinnen und Besucher, darunter die Sonderausstellung „Schrecklich schön. Elefant – Mensch – Elfenbein“. Die Ausstellung zielt auf ein Kernthema des Humboldt Forums ab, den Kolonialismus. Bei der „ Berlin Global“-Ausstellung des Stadtmuseums geht es um menschengemachte Umweltveränderungen, zudem gibt es noch eine Ausstellung speziell für Kinder. Bei dem Projekt „Nimm Platz!“ geht es um das Sitzen.

Steffen Alkämper und Jürgen Morgenstern gehörten zu den ersten Besuchern der Ausstellungen. Hingerissen waren sie vom Schlosskeller, in dem sich architektonische Hinweise aus den Jahrhunderten finden. „Unsere Erwartungen sind voll erfüllt worden“, so Morgenstern. Auch Conner Johnsen und Julia Kümmritz wollten sich die Eröffnung nicht entgehen lassen. Johnsen erzählte, er sei bereits vor sieben Jahren hier gewesen und hätte das Projekt mit Interesse verfolgt. Das Paar hat aber unterschiedliche Meinungen zu der neuen Attraktion in Berlins Mitte. Der 31-jährige Johnsen fand das Berliner Schloss „absolut klasse“ und schwärmte von der Architektur, während Kümmritz es als „gewöhnungsbedürftig“ bezeichnete.

Weitere Teile des Humboldt Forums sollen in den kommenden Monaten öffnen, am 22. September der Westflügel der zweiten und dritten Etage mit dem Ethnologischen Museum und dem Museum für Asiatische Kunst.

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