Über die letzte Brache am Schiffbauerdamm wird seit Jahren gestritten. Jetzt soll der Durchbruch gelingen
Berliner Morgenpost vom 03.09.2021 von Joachim Fahrun

Wer mit der Stadtbahntrasse zwischen Hauptbahnhof und Friedrichstraße unterwegs ist, wundert sich beim Blick hinüber zur Spree schon seit Jahren über die Brache und die planlos hingestreuten Altbauten einen Steinwurf vom Reichstag entfernt. Zwischenzeitlich sorgten die Hauptstadtstudios der Sender NTV und RTL für eine gewisse Sichtbarkeit des Areals, das als „Luisenblock Ost“ seit Jahrzehnten die Planer beschäftigt, ohne dass es eine tragfähige Lösung für eine Bebauung gegeben hätte.

Ein Grundstückstausch soll die baulichen Probleme lösen
Erst in den vergangenen Monaten kam Bewegung in die verfahrene Lage an einer der letzten großen Freiflächen in der Berliner Innenstadt, die in den vergangenen Jahren nur durch den Abriss einiger DDR-Plattenbauten am Schiffbauerdamm Veränderungen und die Räumung einiger Freiflächen im Innenbereich Veränderungen erlebte. Durch Vermittlung des Bundestagsvizepräsidenten Wolfgang Kubicki (FDP), der als Vorsitzender der Bundestags- Baukommission für den künftigen Hauptnutzer des Areals spricht, wurde nun ein neues Verfahren verabredet. Es besteht nun die reelle Chance, den jahrelangen Stillstand mitten in der Stadt zu beenden.

Es geht darum, den schon mit der Hauptstadtplanung Anfang der 90er-Jahre verfolgten Plan einer Nutzung durch den Deutschen Bundestag endlich umzusetzen. Es soll auch das „Band des Bundes“ vollendet werden, mit dem die Sieger des Ideenwettbewerbs „Spreebogen“ 1993 Ost- und Westteil der Stadt im Regierungsviertel mit einer Gebäudekette über 1,5 Kilometer symbolisch verbinden wollten. Auch das Gebiet östlich der Luisenstraße ist in dieses Konzept einbezogen.

Zwar ist das Gelände seither als Vorratsfläche für den Bundestag ausgewiesen. Aber weil dem Bund zwar die meisten, aber eben nicht alle Grundstücke auf dem Dreieck zwischen Stadtbahn, Spree und Luisenstraße gehören, geschah nichts. Ein weiteres Problem: Dort stehen denkmalgeschützte Altbauten. An der Luisenstraße zeugt das frühere Kaiserliche Patentamt, errichtet 1887 bis 1889 vom Prunk und Protz wilhelminischer Architektur. Am Schiffbauerdamm dokumentiert die Zentralstation der Berliner Elektricitätswerke mit dem Kessel- und Maschinenhaus die Anfänge der Berliner Stromversorgung. Diesen Baudenkmälern wären die Bundestagsbüros sehr nahe gerückt, wenn es beim Entwurf geblieben wäre, der 2009 den städtebaulichen Wettbewerb gewonnen hatte.

Ein Problem aber ließ sich gar nicht auflösen: Der Umgang mit dem Gründerzeit-Altbau der Gewerkschaft Verdi am Schiffbauerdamm 19. Das Haus ist nicht denkmalgeschützt , gilt aber wegen der dort verrichteten Gewerkschaftsarbeit als erhaltenswert. Zu einem Abriss wird es nun wohl nicht kommen, aber immerhin soll die historische Fassade in die Neubauten integriert werden. Wie das geschehen soll, müssen sich die Architekten neu überlegen, wenn sie sich am städtebaulichen Wettbewerb beteiligen. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung will den Wettbewerb noch in diesem Jahr unter den neuen Prämissen auf den Weg bringen, für Mitte 2022 werden dann Ergebnisse erwartet.

Zu den neuen Vorgaben gehört, dass Verdi eben doch auf dem Luisenblock Ost bleiben darf. Die Gewerkschaft, deren Bundeszentrale an der Schillingbrücke an der Bezirksgrenze zwischen Mitte und Kreuzberg ein wenig im Abseits liegt, möchte hier im unmittelbaren Regierungsviertel eine Repräsentanz aufbauen. Nun wird sie mit dem Bund ihr bisheriges gegen ein anderes Grundstück in dem Block tauschen. Mit dieser Bereitschaft war das wichtigste Hindernis für einen Neubeginn auf einem der letzten Filetstücke der Berliner Innenstadt aus dem Weg geräumt.

Für den Bundestag, der derzeit mit Abgeordneten- und Verwaltungsbüros noch in über 30 Gebäuden verteilt arbeitet, käme eine räumliche Konzentration in der Nähe des Reichstags durchaus gelegen. Insgesamt will das Parlament inklusive des geplanten Besucher- und Informationszentrums am Reichstag noch eine runde Milliarde Euro in neue Liegenschaften in Berlin investieren, wie es aus der Baukommission hieß. Wie viel genau davon auf dem Luisenblock Ost ausgegeben wird, weiß ohne vorliegenden Plan natürlich noch niemand. Zuletzt war von 142 Millionen Euro die Rede. Wobei Immobilienexperten bezweifeln, dass sich angesichts steigender Baukosten die gewünschten 105.000 Quadratmeter Bruttogeschoss für diesen Preis realisieren lassen.

Der Senat möchte dabei auf jeden Fall erreichen, dass nicht ein reines Verwaltungsviertel entsteht, in dem abends jegliches Leben fehlt. Deshalb sollen die Planer auch Wohnungen und Gewerbeflächen auf dem Areal unterbringen. Erdgeschosse sollen durch öffentliche Nutzungen attraktiv sein, wobei dieses Anliegen oft mit Sicherheitsinteressen des Parlaments kollidiert.

 Die Berliner Morgenpost im Internet: www.morgenpost.de