Architekturbüros zeigen im Planungsprozess zur Umgestaltung des ULAP-Quartiers: ohne Blöcke keine Masse an Wohn- und Büroraum.
Tagesspiegel.de vom 15.09.2021

Es geht mit diesem Plangebiet, das den den gesamten Block zwischen Invalidenstraße, Alt-Moabit und Emma-Herwegh-Straße umfasst, um ein klassisches „Filetstück“. Die Innenstadt ist nahe, der Hauptbahnhof ohnehin. Grün- und Freiflächen machen den Standort zusätzlich attraktiv, der Viadukt regt die Fantasie an, am Rande des Quartiers gelegene Straßenbahnschienen fordern die Fantasie heraus. Das ULAP-Quartier ist ohne Frage ein Leckerbissen für Architekten und Investoren.

Aber: Wofür steht ULAP? Die Abkürzung bezeichnet den ehemaligen Universum Landes-Ausstellungs-Park im Ortsteil Moabit im Bezirk Mitte. Dieser Park lag in einem aus Invalidenstraße, der Straße Alt-Moabit und dem heutigen Hauptbahnhof gebildeten Dreieck. Von 1922 bis 1925 befand sich auch ein Vergnügungspark auf dem Gelände.

Die Fläche ist zirka 32000 Quadratmeter groß. Seit der Wende ist hier stadtplanerisch nichts Bedeutsames passiert. Nun aber!

Auf dem Gelände lag der namensgebende ULAP Ausstellungspark

Das Gebiet soll neu entwickelt werden. Die bestehenden Gebäude sollen überwiegend zugunsten einer dichteren innerstädtischen Neuordnung weichen. Der unter Denkmalschutz stehende Urania-Vortragssaal soll dabei erhalten bleiben und integriert werden. Nördlich und südlich der Stadtbahn befand sich hier früher der namensgebende ULAP Ausstellungspark, ein ehemaliges Messegelände Berlins . Der bestehende Polizeistandort soll erweitert werden, auch dies gehört zu den Vorgaben. Entstehen soll auch bezahlbarer Wohnraum, eine neue Sekundar-Schule für den Kiez sowie neue Büros für die Berliner (Justiz-)Verwaltung. Darüber hinaus soll der bestehende Aldi an seinem jetzigen Standort vergrößert werden, um die öffentliche Nahversorgung zu stärken. Auf diese Steine müssen die am Planungsprozess teilnehmenden Architekturbüros bauen . Sie sind „fix“. Eine weitere Vorgabe: Dies soll ein Ort für die Nachbarschaft werden, ein neues lebendiges Quartier mit belebter Erdgeschosszone, die vernetzt ist mit der Umgebung. Offenbar will man die Eintönigkeit und Ödniss, die Kritiker in der Europacity und im Quartier Heidestraße zu erkennen glauben, nicht noch einmal in Laufentfernung zum benachbarten Bürobauteneinerlei herstellen.

Den Baumbestand sehen alle Planungsteams als gesetzt

Am 21. Juni fand die erste Planungswerksatt zur Neugestaltung des ULAP- Quartiers in den „Design Offices“ am Humboldthafen statt. Fünf Planungsteams präsentierten ihre ersten Ideen und Entwürfe, die in der 34. Kalenderwoche in einer überarbeiteten Fassung noch einmal vorgestellt wurden. Bei aller Unterschiedlichkeit ähneln sie sich in ihrer Massivität – oder „Robustheit“, um es etwas freundlicher auszudrücken. Sie bieten verschiedene Durchwegungsvarianten an und sehen den vorhandenen Baumbestand – vor allem an den Rändern des Dreiecks – als gesetzt.

Den mutigsten Entwurf legte wohl das Büro BJP (Dortmund) vor, das mit den Landschaftsarchitekten Mandaworks aus Stockholm unterwegs ist. War in ihrem ersten Entwurf noch von einer Überdachung des BVG-Geländes die Rede, so stellen stellen sie sich jetzt eine massive Überbauung vor – ein Plateau, das die Tramgleise überwölbt und weitere Parkplätze bringen könnte. Dem Prinzip Schwammstadt will man mit Zisternen folgen, stellt sich ansonsten eine „offene Bauweise “ mit vier „Hochpunkten“ an den Ecken vor. BJP kam mit seinem Entwurf in die Runde der letzten drei, was auch am Konzept liegt:

Das Planungsteam leitet die konzeptionelle Struktur des Quartiers von der Umgebung ab. Hierbei steht für Sie das der östliche Teil als dichtes Arbeitsquartier durch seine Nähe zum Hauptbahnhof. Das Quartier West wird als intimer Wohncampus mit viel Grün als Verbindung zu Moabit interpretiert und der mittlere Teil als urbane-pulsierender multifunktionaler Stadtbaustein. Das Team plant vier Hochpunkte an städtebaulich exponierten Lagen. Entlang des Bahnviadukts ist eine Riegelbebauung als Lärmschutz und Abschirmung des Quartiersinneren angedacht. Als eine weite Lärmschutzmaßnahme soll der Autoverkehr in Altmoabit aus südlicher Richtung geschlossen werden. Dadurch wäre eine aufgelockerte Gebäudekante denkbar.

Seit der Wende ist auf dem Gelände stadtplanerisch nichts passiert

Das Team 5 aus dem Büro B&B (Konstanz) und Fakt – Office for Architecture ( Berlin ) operiert dagegen mit dem „ Berliner Block“ und will ihn neu interpretieren. Fünf Hochpunkte – also Hochhäuser – sollen über das Gebiet verteilt werden. Die Stadt Berlin soll einfach weitergebaut werden: mit Innenhöfen, Gassen und Plätzen, Solitären und Miniblöcken. Von „Grün-Oasen“ und „Outdood-Gyms“ ist die Rede. Auch das Team Coido Architects aus Hamburg sieht als Basic den Berliner Block: Der Ausgangspunkt für die Ideen. Verschiedene Höfe sind vorgesehen, die dazu beitragen das Areal zu gliedern. Unter der Bahntrasse gibt es Sport- und Spielangebote. Das Gebiet soll über Geothermie mit Heizung und Kühlung versorgt werden. Natürlich würden verstärkt Holzkonstruktionen zum Tragen kommen, so die Architekten.

Dachbegrünung und Hochhäuser sind am Hauptbahnhof Mittel der Wahl

Das Team von Kepler 32/Gruppe F/Uranophil.koeln legt einen Schwerpunkt auf Dachbegrünung und sieht an der Westspitze am Hauptbahnhof ein Hochhaus. Die Leitidee: Es muss hoch hinausgeben. Aber wie? Entweder ein Trio, ein „High-Rise-Cluster“ oder „Superblöcke“, die der urbanen Gemeinschaft zuträglich sein sollen. Die dritte Idee, die Kepler 32 mit den Partnerbüros verfolgt, ist ein „Quartiersband“, eine Durchwegung, sowie – viertens – eine Flanier- oder Gastromeile. Der Plan machte in der Vorstellung den durchgestaltesten Eindruck – mit öffentlichen Dachflächen, Fahrradgaragen, vergleichsweise geringer Versiegelungsfläche sowie einem Studentenwohnheim über dem Aldi. Wie praktisch! In der Kurzdarstellung sieht der Entwurf so aus:

Das Grundstück wird von dem Team in zwei Superblöcke aufgeteilt. Der eine, in Richtung Hauptbahnhof, soll eine metropolitane Mischung zwischen Verwaltung, Wohnen und Einzelhandel bilden. Der andere hingegen soll das Gefühl einer urbanen Gemeinschaft erzeugen und Wohnen, Schule und Gewerbe vereinen. Zwischen den beiden super Blöcken wird ein Quartiersband geplant, welches sich zum Bahnviadukt öffnet und eine Verbindung zum ULAP-Park bilden soll. Es stellt auch das Herz des Quartiers dar. Um sich an die Umgebung des Hauptbahnhofs anzupassen, entwirft das Team einen Hochhausschwerpunkt mit drei unterschiedlich hohen Gebäuden. Hier sollen die Polizei, die Senatsverwaltung für Justiz Platz finden.

Doch ob es so kommt? Die Juryentscheidung über die Frage, welche drei der fünf Entwürfe weiterkommen, fiel am Abend des 26. August so aus: ISSS Research Architecture Urbanism und bauchplan sind eine Runde weiter.

ISSS Research möchte, dass sich das neue Quartier gut in den Kontext der Umgebung einfügt und dabei die vielen Gegensätze lokal und international, Kiez und Metropole sowie hyper-urban und nachbarschaftlich verbinden. Durch diese vielen Gegensätze hält das Team eine Nutzungsmischung für sehr wichtig. Es soll auf kleinem Raum eine Vielfalt von Stimmungen und thematischen Schwerpunkten wie zum Beispiel ein aktives Entree, eine produktive Gasse und ein grüner Freizeitraum entstehen. Im Norden-Osten plant das Team ein urbanes Entree mit Wasserspiel und Gemeinschaftsgärten. Am Urania-Saal soll ein öffentlicher Quartiersplatz entstehen, der nicht nur den Vorplatz der Schulde bilden soll sondern auch als Nachbarschaftswohnzimmer mit schattigen Sitzmöglichkeiten und Gastgärten fungieren soll. Im Kreuzungsbereich der Invalidenstr. und Alt Moabit, welche im nördlichen Teil verkehrsberuhigt und begrünt werden soll, stellen sie sich ein grünes Entree mit Landschaftsparkatmosphäre vor. Der Bereich unter dem Bahnviadukt wird mit einem vielfältigen Nutzungsangebot ausgestattet wie z.B.: Aktivflächen, Werkstätten und ein sozialer Treffpunkt.

Auch urbanophil.koeln mit kepler 32 und gruppe F sowie BJP | Bläser Jansen Partner mit form follows you und mandoworks (siehe Grafik unten) kamen eine Runde weiter.

Wer sich bei der Planung einbringen möchte: Die Veranstaltungen werden auf mein. berlin .de durch digitale Beiligungsangebote begleitet. Dort findet sich auch ein Rückblick zu den bereits abgeschlossenen Veranstaltungen. Koordiniert wird die Bürgerbeteiligung vom Stadtplanungsbüro „AG.URBAN“. Die Abschlusspräsentation des Bürgerdialogs ist für Dezember 2021 geplant.

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