Diese Preußen müssen zurück in die Mitte Berlins: Die Denkmäler von Scharnhorst und Bülow, die von 2002 an gegenüber der Neuen Wache standen, gehören an ihren alten Ort.
Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 18.10.2021 on Gabi Dolff-Bonekämper

Vor wenigen Wochen wurden in Berlin zwei stattliche Feldherrendenkmäler abgebaut, die zwischen der Staatsoper Unter den Linden und dem Prinzessinnenpalais gestanden hatten. Sie waren schon seit 2020 in ihren Winter-Gehäusen verborgen geblieben, denn der weiße Carrara-Marmor, aus dem sie geschlagen wurden, durfte nicht länger der Berliner Stadtluft ausgesetzt werden. Keines der vom Landesdenkmalamt angesprochenen Museen in Berlins Mitte wollte sie aufnehmen - sie seien zu groß, zu militärisch, passten nicht zum kuratorischen Konzept, man habe keinen Platz im Depot und sehe auch keine Perspektive für eine Ausstellung. Das Museum in der Spandauer Zitadelle war schließlich dankenswerterweise bereit, sie in seine klug konzipierte Dauerausstellung "Enthüllt" aufzunehmen. Da stehen sie nun, Meisterwerke des preußischen Klassizismus, im Kreise anderer ausrangierter Berliner Denkmäler aus den letzten beiden Jahrhunderten.

Auf dem Rasen bei der Oper standen sie erst ab 2002. Die Sockelinschriften weisen sie als Darstellungen der Generäle Gerhard von Scharnhorst und Friedrich Wilhelm Bülow von Dennewitz aus, denen König Friedrich Wilhelm III. im Jahr 1822 diese Denkmäler gewidmet habe. Sie standen dort auf ihren hohen Sockeln, einander durch Gesten und Kopfhaltung zugewandt, und blickten doch sonderbar beziehungslos aneinander vorbei. Kein Wunder, denn ihnen fehlte die Mitte: die Neue Wache, das 1818 eingeweihte Wachgebäude und Denkmal für die Befreiung Preußens von der napoleonischen Besetzung. Statt die Neue Wache, wie damals bestimmt, im großzügig bemessenen Raum vor dem historischen Kastanienwäldchen zu rahmen, waren die Denkmäler ihr gegenüber aufgestellt, von ihr getrennt durch den viel befahrenen Boulevard Unter den Linden. Wie konnte das geschehen?

Gehen wir zurück zum Anfang. Mit dem Projekt für den Bau der Neuen Wache wollte der König den 1815 endgültig errungenen Sieg über die Franzosen feiern und zugleich den städtischen Raum am östlichen Ende der Straße Unter den Linden neu ordnen. Die Wache sollte mit ihrer Straßenfront ein Siegesdenkmal und, aus Sparsamkeitsgründen, in ihrem Inneren eine praktische Kaserne für das 100 Mann starke königliche Wachbataillon werden. Denkmäler für die im Freiheitskrieg siegreichen Feldherren sollten sie begleiten.

Entsprechende Aufträge wurden 1816 dem Architekten Karl Friedrich Schinkel und dem Bildhauer Christian Daniel Rauch erteilt. Der Gesamtentwurf wurde in seiner programmatischen und stilistischen Modernität von dem hochgebildeten Kanzler Karl August von Hardenberg mitgeprägt. Schinkel und Rauch trafen ihn und einander im Sommer 1816 mehrfach auf seinen Landsitz in Glienicke im Süden Berlins.

Von den diversen Vorstudien hat Schinkel in seinem Album "Architektonische Entwürfe" von 1819 einen frühen Entwurf publiziert. Die Straßenfront der Wache erscheint dort als breite Pfeilerhalle. Auf massiven niederen Ecktürmen sind hohe Trophäenbündel aufgestellt, im Gesims erscheinen die Köpfe besiegter gegnerischer Krieger. Die Abbildung dient in der Sammlung als Kontrastbild, von dem sich die Klarheit und Modernität des im Spätsommer 1816 vorgelegten endgültigen Entwurfs umso deutlicher abhebt. Die Neue Wache präsentiert sich darin mit ihrer der Straße zugewandten Denkmalansicht klar und schnörkellos, als kubischer Bau von klassischer Ruhe. Die Vorhalle mit ihren sockellosen dorischen Säulen wirkt stark, aber nicht schwer, die Viktorien im Gesims bringen tänzerische Anmut ins Gesamtbild. Das antikisierende Giebelrelief, erst 1842 ausgeführt, fügt dramatisch erzählende Motive hinzu. Mit dem Konzept für die Architektur wuchs auch das für die Denkmäler. Schinkel selbst hatte die Idee, von den geplanten Generalsdenkmälern zwei zur Einrahmung der Wache vorzusehen, um so den breiten Raum zwischen dem Wachgebäude und den benachbarten höher aufragenden Bauten des Zeughauses im Osten und der Universität im Westen besser zu bespielen.

Da es nicht üblich war, Denkmäler für lebende Personen aufzustellen, kamen vorerst nur die Generäle Scharnhorst und Bülow als zu Ehrende in Frage. Bülow von Dennewitz war ein hochdekorierter Heerführer. In zahlreichen Schlachten siegreich, hatte er 1813 Berlin mehrfach vor Angriffen französischer Truppen bewahrt und war maßgeblich an den Siegen über Napoleon in der Völkerschlacht bei Leipzig und schließlich bei Waterloo beteiligt. Er starb im Februar 1816. Scharnhorst, kampferprobter Offizier, Stratege und Lehrer an der Militärakademie, war, wie Bülow, 1806 Zeuge der verlustreichen Niederlage der preußischen Armee in den Schlachten von Jena und Auerstedt und des darauf folgenden ungeordneten Rückzugs gewesen.

Nach dem von Napoleon oktroyierten Frieden von Tilsit war die preußische Armee auf 42 000 Mann reduziert worden. Wollte Preußen jemals zu einem Befreiungsschlag gegen die französische Hegemonie ausholen, brauchte es eine grundlegende Heeresreform, mit deren Entwicklung Scharnhorst beauftragt wurde. Auf ihn geht der bis heute in vielen Varianten zitierte Satz zurück: "Alle Bewohner des Staates sind geborene Verteidiger desselben." Scharnhorst erlebte den Erfolg der Reformen nicht mehr: Er starb 1813 an den Folgen einer in der Schlacht bei Großgörschen erlittenen Verwundung.

Die Denkmalfiguren, beide in Galauniform mit Zeremonienschwert und weiten, sorgfältig drapierten Mänteln, sind in Positur und Gestus grundverschieden: Bülow mit erhobenem Kopf, dynamisch versetztem Spielbein, die linke Hand am Schwert, die rechte in die Hüfte gestemmt, klar als Mann der Aktion zu erkennen. Scharnhorst blickt ruhig auf den Betrachter herab, in der linken eine Schriftrolle - die Niederschrift seiner Heeresreformen -, den rechten Arm vor der Brust, den Zeigefinger zum Kinn erhoben: Ein Denker, der zur Umsicht auffordert. Das Zusammenwirken von Aktion und Reflexion, Sieg und Reform konnte mit bildnerischen Mitteln kaum besser dargestellt werden. So standen über knapp hundertdreißig Jahre die marmornen Feldherrendenkmäler rechts und links der Neuen Wache. Sie sind wohl am schönsten abgebildet in einem Gemälde Eduard Gärtners von 1833, das die Straße Unter den Linden, die Neue Wache und die Scharnhorst-Figur im Profil vor dem leuchtenden Abendhimmel zeigt.

Nach dem Ende des Kaiserreiches büßte die Wache ihre Funktion ein und stand leer. In den Jahren 1930/31 wurde sie zur Gedächtnisstätte für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs umgebaut. Die vielteilige Kaserneneinrichtung wich einem von Heinrich Tessenow meisterhaft gestalteten feierlichen Einheitsraum. Niemand dachte damals daran, die Generalsstandbilder oder gar die Viktorien vom Fries zu demontieren. Nach 1933 wurde die Wache als Ehrenmal vom NS-Regime für die öffentliche Demonstration seiner Propagandaziele vereinnahmt. Hindenburg und Hitler nahmen hier Paraden ab.

Im Zweiten Weltkrieg wurde die Stadtmitte Berlins durch Bombenangriffe schwer getroffen. Fotos vom Sommer 1945 zeigen die Einschläge im Zeughaus, die Neue Wache ist ausgebrannt, das Dach eingestürzt. Nach ersten Aufräumarbeiten waren die massiven Ziegelummauerungen, welche die Denkmäler für Bülow und Scharnhorst im Bombenkrieg geschützt hatten, entfernt worden. Die beiden Statuen standen nun, unversehrt und leuchtend weiß, in der schwarz verkohlten Trümmerlandschaft. Als Kunstwerke hatten sie Sturm und Feuer überstanden, aber als Bedeutungsträger einen unsicheren Stand.

Über das weitere Schicksal der Wache und der Denkmäler berichtet Kurt Reutti, von Beruf Bildhauer und unerschrockener Aktivist, in seinen auf zahlreiche Zeitdokumente gestützten Erinnerungen. Reutti arbeitete seit 1945 beim Berliner Magistrat als Beauftragter für die Restitution von im Nationalsozialismus verschleppten, enteigneten oder geraubten Kunstwerken. Sein Engagement für die Wache wurde durch die nach 1949 in Ostberlin erhobenen Forderungen nach Abriss des Bauwerks und Versetzung oder Verschrottung der Denkmäler ausgelöst.

Mit Unterstützung des Architekten Hans Scharoun und der Kunsthistoriker Richard Hamann und Ludwig Justi gelang es, den Bau zu bewahren, aber die Denkmäler mussten weg. Kurz von dem Pfingsttreffen der FDJ Ende Mai 1950 sollten sie mit Stahlseilen und einem Schwenkkran vom Sockel gehoben werden. Dabei wären sie mit einiger Gewissheit zu Bruch gegangen. Reutti erreichte, dass ein Bildhauer als Experte hinzugezogen und anderes Gerät eingesetzt wurde. Er selbst dokumentierte die Demontage und den Abtransport mit einer Serie von eindrucksvollen Fotos. Die Neue Wache blieb stehen. Sie wurde später unter der Leitung des Architekten Heinz Mehlan restauriert, 1960 neu eröffnet und 1968 im Inneren als Staatsdenkmal vollkommen umgestaltet.

Nach der Wiederbewaffnung der beiden deutschen Staaten wurde Gerhardt von Scharnhorst zur Leitfigur sowohl der NVA als auch der Bundeswehr erhoben. Beiderseits der deutsch-deutschen Grenze wurden Orden und Kasernen nach ihm benannt. Sein Denkmal wurde 1963 wieder aufgestellt, aber nicht neben der Wache, sondern auf dem Rasen zwischen der Oper und dem Prinzessinnenpalais. In den späten 1980er-Jahren fasste die DDR-Regierung dann den Plan, nach der 1980 erfolgten Wiederaufstellung des Reiterdenkmals für Friedrich den Großen auch die marmornen Generalsstandbilder wieder an ihren Platz neben der Wache zu bringen. Dies verzögerte sich durch die Wiedervereinigung und sollte schließlich 1993 umgesetzt werden. Aber es kam etwas dazwischen.

Zu Beginn des Jahres 1993 beschloss der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl, die Neue Wache zur Zentralen Gedenkstätte der Bundesrepublik Deutschland zu machen, maßgeblich unterstützt durch Christoph Stölzl, den Direktor des im benachbarten Zeughaus eingerichteten Deutschen Historischen Museums. Stölzl schlug auch vor, die Skulptur "Mutter mit totem Sohn" von Käthe Kollwitz in der Wache aufzustellen. Hierfür sollte, mit Zustimmung der Kollwitz-Erben, die nur 38 Zentimeter hohe Plastik auf ein den Gedenkraum beherrschendes Format vergrößert und in Bronze gegossen werden. Alle Einsprüche aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft prallten an der Entschlossenheit Kohls ab.

Als schließlich im Frühsommer 1993 das inzwischen weit fortgeschrittene Projekt zur Wiederaufstellung der Feldherrendenkmäler zur Kenntnis genommen wurde, brach ein Sturm der Entrüstung aus. Die Aufstellung von "säbelrasselnden preußischen Militärs" neben der Trauer-Gedenkstätte konnte nicht geduldet werden. Wie schon nach 1945 in der DDR wurden die historischen Verflechtungen zwischen Militär- und Staatsreform nicht zur Kenntnis genommen und die künstlerische und politische Zusammengehörigkeit der Wache und der Denkmale ignoriert. Die Drohung der Familie Kollwitz, die Erlaubnis für die Herstellung und Aufstellung der vergrößerten Plastik zurückzuziehen, brachte das Kanzleramt dazu, mit der Familie einen Vertrag abzuschließen, in dem die Nichtaufstellung der Feldherrendenkmäler für die Zukunft zugesichert wird. Nach langen Verhandlungen erhielt die Berliner Denkmalpflege im Jahr 2002 die Einwilligung der Familie, die Standbilder auf der gegenüberliegenden Straßenseite auf dem Rasen zwischen Oper und Prinzessinnenpalais aufzustellen. Von dort wurden sie nun, zu ihrem eigenen Schutz, nach Spandau gebracht.

Aber die Geschichte ist noch nicht zu Ende. Es ist beschlossene Sache, dass Kopien der Denkmäler angefertigt werden. Aber wo sollen sie aufgestellt werden? Wieder auf dem Rasen bei der Oper, wo sie aufs Neue aneinander vorbeischauen würden? Dafür sind die Kunstwerke und die dargestellten Persönlichkeiten zu bedeutend. Gerhard von Scharnhorst war eine Schlüsselfigur des politischen Reformprozesses in Preußen. Ohne seine Militärreform und den Einsatz der reformierten Armee hätte es keine Befreiung von französischer Fremdherrschaft gegeben - und damit keine Neue Wache. Ohne Bülows Feldherrengeschick wäre Berlin 1813 belagert und zerschossen worden. Die neu in Marmor geschlagenen Denkmäler sollten wieder rechts und links der Neuen Wache stehen, mit der sie eine historische, künstlerische und diskursive Einheit bilden.

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