Zwei Konzepte für den Molkenmarkt konkurrieren jetzt um die Realisierung
Berliner Zeitung vom 02.12.2021 von Ulrich Paul
Die geplante Neugestaltung des Molkenmarkts in Mitte ist einen wichtigen Schritt voran- gekommen. Im städtebaulichen Wettbewerb für das Areal zwischen Rotem Rathaus und Altem Stadthaus hat die Jury zwei Planer-Teams aus Berlin und Zürich sowie aus Berlin und Kopenhagen zu Siegern erklärt. Das teilte die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung am Mittwoch mit. Gewonnen haben das Team des Architekten Bernd Albers (Berlin) mit dem Landschaftsarchitekturbüro Vogt (Zürich) und das Team OS Arkitekter (Kopenhagen) mit der Czyborra Klingbeil Architekturwerkstatt (Berlin). Sie haben sich gegen acht weitere Teams durchgesetzt, die an dem Wettbewerb teilgenommen haben.
Die beiden Erstplatzierten haben sich für ein sogenanntes Werkstattverfahren qualifiziert, bei dem nach einer Überarbeitung im kommenden Jahr das endgültige Konzept gefunden werden soll, auf dessen Basis der Molkenmarkt neu gestaltet wird.
Zahlreiche Denkmale integriert
Am Molkenmarkt soll die frühere Verkehrsschneise, die hier vom Alexanderplatz Richtung Leipziger Straße verlief, auf ein stadtverträgliches Maß zurück gebaut und leicht verschwenkt werden. Die Flächen, die dadurch gewonnen werden, sollen bebaut werden. Anders als bei städtebaulichen Verfahren üblich, liegt für das Gebiet bereits seit 2016 ein Bebauungsplan vor, in dem der neue Straßenverlauf sowie die Errichtung von fünf Baublöcken definiert ist.
Seit der Festsetzung des Bebauungsplans haben sich jedoch einige Änderungen ergeben. So sollen die landeseigenen Grundstücke nicht mehr wie ursprünglich geplant meistbietend verkauft und durch private Bauherren bebaut werden. Vielmehr ist jetzt geplant, dass die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften Degewo und WBM (Wohnungsbaugesellschaft Mitte) auf den Grundstücken bezahlbaren Wohnraum schaffen. Und die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz will die Quartiersstraßen vor dem Hintergrund der Verkehrs - und Klimawende neu entwickeln und innovativer gestalten. Aus diesen Gründen hat die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung das nun laufende Planungsverfahren samt Bürgerbeteiligung gestartet.
Ziel des Wettbewerbs war es laut Stadtentwicklungsbehörde „innovative und zukunftsfähige Entwürfe für ein nachhaltiges und attraktives, kleinteiliges Innenstadtquartier am Molkenmarkt zu erhalten“. Dabei spielte neben der Gestaltung und Parzellierung der Baublöcke und den „hohen Qualitätsansprüchen an die öffentlichen Freiräume auch ein angemessenes Nutzungskonzept für die Gebäude eine besondere Rolle“, so die Behörde. Die Integration zahlreicher Denkmale und archäologischer Funde sei ebenfalls zu berücksichtigen gewesen.
Die Erstplatzierten Albers und Vogt schlagen in ihrem Entwurf eine kleinteilige, eng an die historische Situation angelehnte Parzellierung der Blöcke vor. Die Bebauung soll dabei „weitgehend als moderne Interpretation klassischer Berliner Typologien umgesetzt werden“ heißt es in einer Entwurfsbeschreibung. Die an den Jüdenhof angrenzenden Bauten sollen dagegen nach dem Willen der Planer in einem „Spektrum von Neuinterpretation bis Fassadenrekonstruktion der historischen Vorgängerbauten“ neu entstehen.
Der Jüdenhof ist ein Bodendenkmal, das als Zeugnis jüdischen Lebens im mittelalterlichen Berlin erlebbar gemacht werden soll. Die ehemalige Französische Kirche unweit vom Jüdenhof soll ebenfalls als Bodendenkmal sowie als Innenhof in den Abmessungen des früheren Kirchenschiffs erlebbar gemacht werden. Beide Höfe werden in dem Entwurf von Albers und Vogt über einen Weg durch den Block miteinander verbunden.
Beim Team OS Arkitekter und Czyborra Klingbeil vermitteln die Blöcke nach außen ein geschlossenes Bild, während innen eine vielfältige und differenzierte Bebauung vorgesehen ist – nach Vorstellungen der Verfasser in Holzbauweise. Die Höfe zweier Blöcke sollen durch einen Fußweg, der als „Kulturpfad“ bezeichnet wird, durchquert werden. Der Weg soll dabei die Ruine der Franziskaner Klosterkirche mit dem Kulturstandort an der Alten Münze verbinden. An diesem Pfad sollen die archäologischen Funde der Französischen Kirche und des Jüdenhofs „erfahrbar werden“, wie es heißt – und mit den Angeboten eines neu geschaffenen „Kulturhofs“ in dem Baublock vor dem Alten Stadthaus verbunden werden. Bei der Gestaltung der öffentlichen Straßen und Plätze soll ausdrücklich ein Vorrang für Fußgänger und Radfahrer berücksichtigt werden, heißt es. Geplant ist zudem, dass Bäume gepflanzt und weitere Grünflächen angelegt werden.
Bürgerbeteiligung geplant
„Die beiden prämierten Konzepte für den Molkenmarkt sind eine hervorragende Grundlage für die Wiederbelebung der historischen Mitte Berlins “, sagt die Vorsitzende des Preisgerichts, Christa Reicher. „Sie stehen gleichermaßen – wenn auch mit unterschiedlichen Haltungen – für eine gute Lesbarkeit des Ortes und für ein vielfältiges Zukunftsquartier.“ Nun gelte es, das einstimmige Votum der Jury „im Dialog mit allen Beteiligten zu profilieren“.
Dazu gehören nicht nur die Vertreter des Landes Berlin. Mit dabei sind der Bund, vertreten durch die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA), und ein privater Eigentümer, dem in dem Gebiet ebenfalls Flächen gehören. Auch die Bürger sollen einbezogen werden. Eine erste Bürgerwerkstatt, bei der sich die Planer der Diskussion stellen, ist für Februar 2022 geplant. Eine zweite soll Ende April 2022 folgen. Am Ende des Werkstattverfahrens, voraussichtlich im Sommer 2022, soll eines der beiden Konzepte zur Grundlage der weiteren Planung werden.