Berlin und der Bund starten einen neuen Wettbewerb für den Luisenblock Ost. Zunächst wurden dazu die Bürger gehört
Beriliner Zeitung vom 15.12.2021 von Ulrich Paul

Berlin und der Bund unternehmen einen neuen Anlauf zur Gestaltung des Luisenblocks Ost im Parlaments- und Regierungsviertel. Nachdem es für die Realisierung des preisgekrönten, aber zugleich umstrittenen Entwurfs des Architekturbüros Kusus und Kusus keine politische Mehrheit gegeben hat, soll nun eine Planung auf den Weg gebracht werden, „die ein Höchstmaß an Konsens zwischen allen Beteiligten“ ermöglicht. Das jedenfalls kündigte Manfred Kühne, Leiter der Abteilung Städtebau und Projekte in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, am Montagabend zum Start der Öffentlichkeitsbeteiligung an.

Der Luisenblock Ost ist ein rund 46.000 Quadratmeter großes Areal zwischen Luisenstraße, Schiffbauerdamm und S-Bahntrasse. Dort stehen denkmalgeschützte Altbauten wie die frühere DDR-Generalstaatsanwaltschaft und nicht denkmalgeschützte Bauten wie ein von 1910 bis 1912 im neuklassizistischen Stil errichtetes Haus am Schiffbauerdamm 19, das der Gewerkschaft Verdi gehört. Große Teile des Areals sind unbebaut. Haupteigentümer der Flächen ist der Bund, der den Luisenblock Ost vornehmlich dazu nutzen will, um Büros und Konferenzräume für den Bundestag zu errichten.

Der preisgekrönte Entwurf von Kusus und Kusus aus dem Jahr 2009 sah vor, das städtebauliche „Band des Bundes“ aus Kanzleramt, Paul-Löbe-Haus und Marie-Elisabeth-Lüders-Haus mit einer kurvenartigen Bebauung in den Luisenblock Ost zu verlängern – und damit zu einem Abschluss zu bringen. Was daran jedoch auf Missfallen stieß: Nach dem Entwurf sollte das Verdi-Haus abgerissen werden. Dagegen gab es Proteste, die am Ende mit dazu führten, dass sich Berlin und der Bund auf eine Neuplanung verständigten.

Anders als im Wettbewerb aus dem Jahr 2009 soll sich der neue Wettbewerb nur noch auf den östlichen Bereich des Luisenblocks Ost erstrecken, der rund 30.000 Quadratmeter groß ist. Der rund 16.000 Quadratmeter große westliche Teil des Blocks an der Luisenstraße soll davon abgekoppelt gestaltet werden. Parallel zum städtebaulichen Wettbewerb soll in dem westlichen Bereich „der dringendste Flächenbedarf des Deutschen Bundestags“ erfüllt werden, kündigte Dagmar Streich aus dem Bundesbauministerium am Montag an.

Das Problem: Damit steht infrage, ob die städtebauliche Idee vom Band des Bundes zu einem Abschluss gebracht werden kann, wie es Kusus und Kusus noch vorschlugen. Denn das Teilstück an der Luisenstraße, das nun separat entwickelt werden soll, wäre das Verbindungsstück zum übrigen Luisenblock Ost. Wenn die Fortführung des von Charlotte Frank und Axel Schultes erdachten Band des Bundes schon im Verbindungsstück nicht vorgesehen ist, ergibt eine Fortsetzung im übrigen Teil keinen Sinn mehr, weil der Übergang fehlt.

Karin Kusus, Gewinnerin des Wettbewerbs von 2009 warnt denn auch vor der Aufteilung des Wettbewerbsgebiets. „Wenn man das Grundstück jetzt aufteilt, vergibt man die Chance, diese wunderbare städtebauliche Idee von Axel Schultes und Charlotte Frank zu einem Ende zu bringen“, sagt sie bei der Öffentlichkeitsbeteiligung. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung verteidigt die Teilung. Sie sei „zwischen dem Bund und dem Land Berlin aufgrund der dringenden Bedarfe des Deutschen Bundestages beschlossen“ worden, „um den Planungsfortschritt im Bereich der Grundstücke des Deutschen Bundestages zu beschleunigen“, so Behördensprecherin Petra Rohland. Die jeweiligen Verfahren und Planungen der Teilareale würden „intensiv aufeinander abgestimmt und koordiniert, sodass städtebauliche Abhängigkeiten innerhalb des gesamten Luisenblock Ost berücksichtigt werden können“.

Karin Kusus hat am neuen Verfahren aber noch mehr auszusetzen – und zwar an der Teilnehmerzahl. Nur 15 Architekturbüros sollen für den Wettbewerb ausgewählt werden. Zu wenig, wie sie meint. Das werde „nicht die Bandbreite“ an Entwürfen liefern, die für so ein wichtiges Grundstück nötig seien. Was die Preisträgerin von 2009 aber überhaupt nicht versteht, ist der Umgang mit dem Verdi-Haus. In den „ersten Übersichten“ zum neuen Wettbewerb habe sie gesehen, dass der Abriss des Gebäudes weiter „optional“ zu untersuchen sei, sagt sie. Wenn der Erhalt aber nicht die Voraussetzung sei, frage sie sich, „warum man den Wettbewerb wiederholen“ müsse. Denn an der geplanten Mischnutzung des Gebiets habe sich nichts geändert seit 2009.

Selbst auf dem geschrumpften Teil des Wettbewerbsgebiets sollen die Nutzungen durch den Bundestag überwiegen. Er beansprucht nach den ersten vorgelegten Berechnungen 54 Prozent der neuzubauenden Geschossflächen, auf weiteren 23 Prozent ist eine Wohn- und Mischnutzung vorgesehen. Auf die Gewerkschaft Verdi entfallen die übrigen 23 Prozent der Geschossfläche.

Neben der Kritik am Verfahren nutzten die Bürger den ersten Tag der Öffentlichkeitsbeteiligung und machten eine Reihe von Vorschlägen: Dazu gehört der Wunsch nach bezahlbaren Wohnungen, nach einer attraktiven Gestaltung der Uferzonen und einer Belebung der Räume unter dem S-Bahn-Viadukt. Ob Autoverkehr durch das Quartier rollen muss, soll nach Ansicht der Bürger hinterfragt werden. Stattdessen sprechen sich die Beteiligten für den Ausbau der Fahrradinfrastruktur aus, zum Beispiel durch Errichtung eines unterirdischen Fahrradparkhauses. Klar ist für viele zudem, dass die neuen Gebäude mit grünen Dächern und Photovoltaikanlagen besonders nachhaltig gestaltet werden sollen. Geprüft werden sollte zudem, ob sich der Luisenblock für den Bau einer Schule eigne.

Die Linken-Abgeordnete Katalin Gennburg fordert eine echte Umplanung. „Seit 2018 setze ich mich für einen Neustart der alten Planungen ein und freue mich, dass die intensiven Verhandlungen mit Bundesbehörden und Eigentümern doch erfolgreich waren“, sagt sie zur Berliner Zeitung. „Jetzt muss das historische Gewerkschaftshaus baulich gesichert werden und das Areal ringsum so geplant werden, dass die Bundestagsbauten sich in das umliegende Quartier einfügen.“ Gennburg: „Ich erwarte von der Neuplanung für diesen Teil des Regierungsviertels, dass hier ein lebendiger Ort der Begegnung entsteht und nicht ein abgeschottetes Beton-Ufo ohne Anschluss an die Nachbarschaft.“

Die Berliner Zeitung im Internet: www.berliner-zeitung.de