Braucht die Bundesrepublik Deutschland (wieder) eine Bauakademie? Will man diese Frage beantworten, ist es notwendig, zunächst einen Blick zurück in die Geschichte zu werfen.
Die Geschichte der Bauakademie als Institution reicht weit zurück bis in das 17. Jahrhundert. Die Entwicklung der Städte und der Bau aller Arten von Gebäuden zählten zu den wichtigsten Aufgaben des aufstrebenden Preußenstaates. Und so war nur logisch, dass der preußische König Friedrich Wilhelm III. im Jahre 1799 das Statut der Königlich-Preußischen Bauakademie zu Berlin erlassen hat.
Im Jahre 1835 erhielt die Bauakademie nach einem Entwurf von K. F. Schinkel ihr eigenes Gebäude neben der Friedrich Werderschen-Kirche und dem Schleusen oder Kupfergraben. Von 1873-1879 war die Bauakademie eine selbstständige Lehranstalt. Die Entwicklung des Bauwesens auf technisch-konstruktiven Gebiet erforderte eine weitere Vertiefung und zugleich Spezialisierung der Ausbildung. Am 1.4.1879 wurde dafür die Technische Hochschule in Berlin gegründet.
Unter dem Preußenkönig Friedrich III. wurden im Jahre 1880 die Aufgaben der königlichen Akademie des Bauwesens durch Erlass in folgender Weise konkretisiert: “Die Akademie des Bauwesens ist eine beratende Behörde und dem Minister der öffentlichen Arbeiten untergeordnet. Dieselbe ist in Fragen des öffentlichen Bauwesens, welche von hervorragender Bedeutung sind, zu hören, und namentlich berufen, das gesamte Baufach in künstlerischer und wissenschaftlicher Beziehung zu vertreten, wichtige öffentliche Bauunternehmungen zu beurteilen, die Anwendung allgemeiner Grundsätze im öffentlichen Bauwesen zu beraten, neue Erfahrungen und Vorschläge in künstlerischer, wissenschaftlicher und bautechnischer Beziehung zu begutachten und sich mit der weiteren Ausbildung des Baufaches zu beschäftigen. Der Bauakademie des Bauwesens können auch Bauprojekte, welche von öffentlichen Korperationen auszuführen sind, zur Begutachtung vorgelegt werden“. In dieser Funktion hatte die Akademie des Bauwesens und von 1918 bis 1945 als Preußische Akademie des Bauwesens eine beratende Rolle. Ihre Mitglieder wurden durch die Regierung berufen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde im Jahre 1951 durch die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik die „Deutsche Bauakademie zu Berlin“ gegründet. Sie war zunächst vorwiegend baukünstlerisch orientiert. Das Plenum hatte eine beratende Rolle. In angegliederten Meisterwerkstätten, die von Architekten geleitet wurden, wurden Projekte für den Wiederaufbau kriegszerstörter Städte gemacht. In den 1960-iger Jahren verlagerte sich das Gewicht der Aufgaben der Deutschen Bauakademie zu Berlin zunehmend auf die Ingenieurwissenschaften zur Durchsetzung der Industrialisierung des Bauwesens in der DDR. Nach der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten im Jahre 1989 wurde im Art. 38 des Einigungsvertrages unter Absatz (1) festgelegt, dass der Wissenschaftsrat eine Begutachtung von öffentlich getragenen Forschungseinrichtungen im Beitrittsgebiet durchführen soll und dass die im nachfolgenden Absätzen des Art. 38 getroffenen Regelung diese Begutachtung ermöglichen sollen. In Absatz (2) des Artikels 38 ist dann festgelegt: “ Mit dem Wirksamwerden des Beitritts wird die Akademie der Wissenschaften der DDR als Gelehrtensozietät von den Forschungsinstituten und sonstigen Einrichtungen getrennt. Die Entscheidung wie die Gelehrtensozietät der Akademie der Wissenschaften der DDR fortgeführt werden soll, wird landesrechtlich getroffen“. Und unter Absatz (4) wurde dann bestimmt: „ für die Bauakademie der Deutschen Demokratischen Republik..... gelten die Abs. 1-3 sinngemäß“. Im Ergebnis dieser Evaluationen durch den Wissenschaftsrat wurde entschieden, dass die Bauakademie der DDR in Umsetzung des Einigungsvertrages in den 1990-ig er Jahren schrittweise aufgelöst wurde.
Das Gebäude der Bauakademie wurde im Zweiten Weltkrieg teilweise zerstört, danach von der Regierung der DDR in den Nachkriegsjahren wieder rohbaumäßig in Stand gesetzt. Nach dem Bau der Berliner Mauer wurden die Bauarbeiten eingestellt. Bedingt durch die Planung und den Bau des neu zu errichtende Außenministeriums der DDR wurde das Gebäude der Bauakademie in den Jahren 1961/62 abgerissen. Bis heute ist es nicht gelungen, das Gebäude der Bauakademie an seinem historischen Platz wieder zu errichten.
Soweit zur Geschichte der Institution Bauakademie und des Gebäudes. Man könnte die Sache Bauakademie ad acta legen und damit der gesamten deutschen Bau- und Immobilienwirtschaft signalisieren, das Bauen in Deutschland und der Welt in seiner Bedeutung kein aktuelles Thema mehr ist, für das es sich lohnen würde, sich praktisch, inhaltlich und intellektuell auseinanderzusetzen. Die Entwicklung der letzten Jahrzehnte hat aber gezeigt, dass das Gegenteil der Fall ist. Wir leben in einer Welt, deren ökologisches Gleichgewicht gefährdet ist, deren Bevölkerungswachstum dazu führt, dass Menschen hungern müssen und in menschenunwürdigen Wohnverhältnissen ihr Leben fristen, deren Städte explodieren und deren Gebäude durch den Ausstoß von Treibhausgasen einen großen Teil der Erderwärmung mit verursachen. Fragt man danach, wer sich um diese Probleme national oder international kümmert, werden zwar viele Namen genannt, eine zentrale Institution, die diese Probleme als eine Art „Denkfabrik“ analysiert, aufbereitet und Lösungskonzepte entwickelt, losgelöst vom aktuellen Tagesgeschehen, ist aber nicht erkennbar. Gewiss es gibt eine Bundesstiftung Baukultur, es gibt viele Forschungsinstitute, UN Gremien, Hochschulen und Universitäten, die sich um viele Detailfragen kümmern, aber eine Gelehrteninstitution, wie es sie beispielsweise in Form der Leopoldina gibt, ist nicht darunter. Die in den nächsten Jahren und Jahrzehnten zu erwartenden Aufgaben werden völlig neue Anforderungen an das Bauwesen der Industrienationen und ihres kooperativen Zusammenwirkens stellen. Lösungsansätze sind aber wissenschaftlich weitsichtig und vor allem im Kontext mit vielen anderen Forschungsdisziplinen wie der Soziologie, Ökonomie und Informatik (Stichwort: Digitalisierung und 4. Industrielle Revolution) sowie der Land-, Wasser-und Energiewirtschaft um nur einige zu nennen, zu erarbeiten. Damit wird bereits deutlich, dass eine solche “neue“ Institution Bauakademie weitaus umfassender Denken und Arbeiten müsste, als dies in der Vergangenheit der Fall war. Wohnen, Arbeiten und Leben auf dem Planeten Erde im 21. Jahrtausend erfordert es, grundlegend neue Ideen zu entwickeln und das „Bauen“ als Synonym für unsere bebaute Umwelt wird dabei eine zentrale Rolle spielen. Hier wäre die Chance für Deutschland eine Vorreiterrolle zu übernehmen. Es würde sich auszahlen, intellektuell aber auch ökologisch und ökonomisch.