Pressestimmen
Parallel zur Friedrichstraße wären die Fahrräder besser aufgehoben
Ein Bürger*innenbündnis hatte für zwei Stunden gezeigt, wie schön die Friedrichstraße ist , wenn sie den Fußgänger*innen allein gehört.
Tagesspiegel vom 11.03.2021 - von Matthias Dittmer
Der Impuls wurde angenommen. Bezirksamt und Senat stellten im Sommer vergangenen Jahres ein Modellprojekt vor. Zwischen Französischer und Leipziger Straße wurde der Straßenraum umgestaltet . Mit Bäumen in Kübeln, Holzbuden und Sitzgelegenheiten. In der Mitte eine „Safety Line“ für Polizei- und Feuerwehrfahrzeuge, die zugleich einen vier Meter breiten Radweg bildet.
Gefeiert, aber auch beschimpft wurde die autofreie Friedrichstraße . Die Geister scheiden sich bis heute. Doch jetzt wurde der Zeitraum des Versuchs bis Oktober verlängert – eine Möglichkeit, neu zu denken und Alternativen auszuprobieren.
Hans Stimmann Ex-Senator: Wettbewerb für Berlins Mitte ist "Realsatire"
Berlins früherer Senatsbaudirektor Hans Stimmann feiert 80. Geburtstag – und kritisiert die Planungen seiner Nachfolgerin.
Berliner Morgenpost vom 09.03.2021 - von Isabell Jürgens
Die höchste Ehre für sein Wirken wurde ihm zwar zuteil – doch zufrieden ist Hans Stimmann mit dem Erreichten keineswegs. 2009 wurde dem gebürtigen Lübecker, der als Senatsbaudirektor zwei Jahrzehnte maßgeblich die Hauptstadt gestaltete, das Bundesverdienstkreuz für sein „Bemühen um die Wiedergewinnung des Berliner Stadtgrundrisses als historisches Gedächtnis“ verliehen. Doch dass dieses Bemühen letztlich gerade im Zentrum der Stadt vergeblich war, grämt den streitbaren Sozialdemokraten, der an diesem Dienstag seinen 80. Geburtstag feiert, noch immer.
Berlin provoziert verkehrspolitischen Sündenfall
Motorisierter Individualverkehr wird abgeschafft – Pendler bleiben auf überfüllten Strecken stecken
Der Tagesspiegel vom 06.03.2021- von Reinhart Bünger
Die Nachfrage nach Häusern im Umland ist teils doppelt so stark gestiegen wie in der Stadt. Was für München und Köln exemplarisch zu beobachten ist, gilt – in abgeschwächter Form – auch für Berlin : Die Zahl der Nachfragen nach Wohneigentum in einem Vierzig-Kilometer-Radius übersteigt unterdessen die Nachfragen für den innerstädtischen Bereich. Dies ergibt eine aktuelle Studie der Onlineportals Immowelt. Der Trend zur Stadtflucht hat weitreichende Folgen für Pendlerbewegungen und Mobilität. Denn Regine Günther schwebt die autofreie Innenstadt vor, die mittelfristig Wirklichkeit werden soll. Das sieht der Stadtentwicklungsplan Mobilität und Verkehr vor, den der Senat bei seiner Sitzung am Dienstag auf Vorlage der grünen Verkehrssenatorin beschlossen hat (Der Tagesspiegel berichtete). Nicht nur der ADAC ist entsetzt. Auch die Mobilitätsforscher Andreas Knie vom Wissenschaftszentrum Berlin (WZB) und Hans-Liudger Dienel, der an der Technischen Universität den Studiengang „Sustainable Mobility Management“ leitet, schlagen Alarm: So lässt Berlin seine Pendler abfahren. Nach Dauerstaus stranden sie perspektivisch am Stadtrand.
Mitte des vergangenen Jahres hatten knapp 225 000 sozialversicherungspflichtig beschäftigte Brandenburger ihren Arbeitsplatz in Berlin , rund 2150 mehr als ein Jahr zuvor, wie aus der jüngsten jährlichen Erhebung der Bundesagentur für Arbeit über die Pendlerbewegungen hervorgeht. Fast 86 300 Berliner arbeiteten in Brandenburg. Die meisten Arbeitnehmer pendelten zwischen der Bundeshauptstadt und den angrenzenden Landkreisen sowie der Landeshauptstadt Potsdam. Rund 35 300 Beschäftigte kamen Mitte 2020 aus dem Kreis Oberhavel nach Berlin , so viele wie aus keinem anderen Kreis Brandenburgs. An zweiter Stelle folgte der Landkreis Barnim mit 29 700 Pendlern. Mit rund 14 800 Arbeitnehmern fahren die meisten Berliner Auspendler nach Potsdam, gefolgt vom Landkreis Dahme-Spreewald mit 13 200 Berlinern . Sie alle bewegen sich von A nach B und zurück. In der Regel sind sie nicht mit dem (Elektro-)Fahrrad unterwegs.
Wohnen – ohne Bahn und Parkplatz
Neue Quartiere sollen nur noch 10 bis 30 Parkplätze je 100 Wohnungen bekommen – auch wenn Bus, und Tram fehlen
Berliner Morgenpost vom 04.03.2021 - von Isabell Jürgens, Christian Latz und Thomas Schubert
Die 14 großen Entwicklungsgebiete Berlins sollen nach dem Willen des Senats Heimat für 100.000 Berlinerinnen und Berliner sein. Die meisten von ihnen liegen außerhalb des S-Bahnrings und verfügen häufig noch über keine beziehungsweise mangelhafte Anbindung an den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV). Dennoch hat der Senat mit dem Stadtentwicklungsplan Mobilität und Verkehr (StepMoVe) jetzt beschlossen, dass es in den neuen Quartieren nur noch zehn bis 30 Parkplätze pro hundert Wohnungen geben soll. Ein Ziel, das bei den Beteiligten und Fachleuten Kopfschütteln auslöst.
Eine tragische Utopie: Stadtentwicklungsplan 2030
Berliner Zeitung vom 02.03.2021 - von Peter Neumann
Die Stadt – ein Idyll! Handwerker sind nicht mit rußenden Transportern unterwegs, sondern mit Lastenrädern. Managerinnen fahren Regionalbahn statt Dienstwagen. Die Aggression auf den Straßen ist einer „Mobilitätskultur des Miteinanders“ gewichen. Die Vision, die der Senat im Stadtentwicklungsplan Mobilität und Verkehr 2030 skizziert, lässt einen die Augen reiben. Ist das noch das Berlin , das wir kennen?
Es ist eine tragische Utopie, die hier als Basis für die künftige Verkehrspolitik entworfen wird. Tragisch deshalb, weil sie zum Teil durchaus wünschenswert ist, angesichts bisheriger Erfahrungen jedoch Zweifel aufkommen, ob sie je verwirklicht wird. Sicher ist das Ziel, Benziner und Diesel zu verbannen, im internationalen Vergleich nicht neu. Und zweifellos fordern viele Menschen in Berlin mehr Platz für Radfahrer und Fußgänger. Doch ein bisschen mehr Realitätssinn hätte gutgetan.